BEHAUSUNGEN

Marianne Stoll

Das umfangreiche Projekt mit dem thematischen Überbegriff „Behausungen“ behandelt die existentielle Frage der Suche nach einer Verortung, sowohl als „Dach über dem Kopf“, der Grundlage für die Möglichkeit einer kulturellen Entwicklung, als auch emotional, intellektuell: in welcher Sicht zur Welt fühle ich mich „zu Hause“ oder könnte ich mich dem nähern.

Es entstehen vielfältige Arbeiten, Zeichnungen, Collagen, Objekte, meist in Serien.

Alle Arbeiten haben verschiedene Sichtweisen, Irritationen, Ausbrechen aus bekannten „Behausungsverhältnissen“.

Die Serie „Grundrisse“ nimmt Bezüge auf zu architektonischen Elementen, setzt sich mit der Normierung von Wohnungen moderner Gesellschaften auseinander; das bewusste Umgehen mit einer Behausung und ihrer Gestaltung stellt die konventionellen Normen in Frage und sucht nach individuellen Kriterien. In den Collagen werden Grundrisse aufgebrochen, ihrer traditionellen Funktion enthoben. Sie werden mit freien Zeichnungen, Fotografien, Magazinblättern, Zitaten aus Texten über das Thema Wohnen kombiniert.

In der Serie „Heimat“ überarbeite ich Fotografien von Ansichten geliebter Orte in meiner Heimat, Darmstadt. Fremdartige Portraits blicken melancholisch ins Ungewisse. Für mich stellt sich die Frage: ist die Heimat ein Zufluchtsort oder eine Illusion? Der samtig matte Überzug aus Wachs gibt den Arbeiten etwas Indirektes; auch eine „Konservierung“ im übertragenen Sinn ist beabsichtigt.

Die Serie „Portraits“ hat sich aus der Serie „Heimat“ entwickelt. Gesichter werden aus dem Zusammenhang gelöst und eine Spannung zwischen realer menschlicher Physiognomie und ihrer Irritation aufgebaut. Das Behausungsthema bekommt hier noch eine abstraktere Variante: Der Kopf als Behausung des menschlichen Geistes, als Ausgangspunkt unseres Bewusstseins, unserer Gefühle, Erfahrungen, unseres Standpunkts zur Welt. Das Gehirn ist die Schaltzentrale für alles, was den Menschen bewegt.

In den Serien „Gartenhäuser“, „Nester“, „Gemächer“ reduziert sich Gegenständliches auf wenige figürliche Fragmente, die in die Zeichnungen/Collagen eingearbeitet sind. Florale Elemente, luftig in den Gartenhäusern, verdichtet in den Nestern, schaffen poetische, heitere Behausungs-Anmutungen. Die Gemächer folgen dem Bedürfnis nach einem Rückzugsort, intim, strenger, die Farben Braun und Schwarz und klare Formen sind dominant in den Collagen.